17.08.2020

Rezension: Theresia Bohl - Erstmal Kaffee. Typischer Kanzleialltag

"Nimm es mit Humor und bleibe entspannt."

Amelie ist Rechtsfachwirtin und hat schon einige Kanzleien "hinter sich". Doch heute ist ihr erster Tag in ihrer neuen Kanzlei und sie ist aufgeregt wie eine Anfängerin. Die "Mädels" machen es ihr nicht leicht, erst recht nicht ihre Schreibtischkollegin Ira und auch ihr neuer Chef Rechtsanwalt Ziemer. Außer Patrizia nimmt kaum jemand Notiz von ihr oder kümmert sich um ihre Einarbeitung - dabei hatte man sie doch angeblich als Unterstützung so sehnsüchtig erwartet. Die ersten Tage und Wochen werden nicht einfach...

Fünf Jahre später ist Amelie in der Kanzlei angekommen: "Ich habe in dieser Kanzlei, gefunden was ich pesönlich für mich immer gesucht habe. Ich stehe jeden Morgen auf und bin glücklich."

Das ist nicht selbstverständlich. Amelie hat eine gute Ausbildung und Erfahrung. Doch vor allem Selbstbesußtsein und Humor sowie Selbstorganisation und Eloquenz helfen ihr, den Alltag zu meistern. So hat sie ein eigenes Priorisierungssystem für e-mails und Abrechnungen entwickelt und eine in Stein gemeißelte "Daily Routine" beim Thema Fristen-Post-Wiedervorlage. Aber auch die "Beziehungspflege" zum Chef und das Revier-Abstecken zu den Kolleginnen folgen strengen Kriterien - und sind schließlich erfolgreich.

"Mein Chef vertraut mir und ich vertraue ihm. Wir profitieren von unseren unterschiedlichen Persönlichkeiten."

Wie Amelie diese Zeit mit allen Höhen und Tiefen durchlebt hat und dabei nicht ihren Humor und ihr Selbstbewußtsein verliert, erzählt das Buch mit kurzen Alltagssituationen aus der Arbeitswelt der Kanzlei-Assistenz. Typische Kanzleisituationen, der Mandant als König, Anwaltsgelaber und Zickenkrieg, Prozeßabläufe zwischen Aktenstapeln und Digitalisierung - das pralle Kanzleileben aus der Back-Office Perspektive.

Eine wertvolle Insiderperspektive, die vielen Anwälten und Anwältinnen in der eigenen Kanzlei abgeht.

Wie schaffen es die unterschiedlichsten Charaktere und Persönlichkeiten an einem Strang zu ziehen? Wie kompliziert ist der Mikrokosmos Kanzlei wirklich? Wo finden sich Ansätze von New Work und Leadership zwischen den verstaubten Aktendeckeln und Digtiergeräten?

Theresia Bohl hat ihre Erfahrung als Rechtsfachwirtin in verschiedenen Kanzleien und Kanzleiberaterin für die Kanzleiassistenz bei tb-kama mit der Geschichte der Amelie ebenso authentisch wie exemplarisch für all die Assistenzen aufgeschrieben, die an jedem Monatsersten als "die Neue" in der arbeitsüberlasteten Kanzlei stehen und nicht wissen, wo und wie sie anfangen sollen - und für all die AnwältInnen, die sich noch nie größere Gedanken über Einarbeitung, Wissenstransfer, Aufgabenbeschreibung und Teamführung gemacht haben.

In locker-leichtem Erzählstil gelingt es dabei dem Leser mühelos, sich in die Kanzlei-Situationen hineinzuversetzen und Optimierungspotenzial zu entdecken. Und auch wenn keine Kanzlei wie die andere ist, sind viele Situationen sicherlich allgemeingültig.

Einziger Wehrmutstropfen ist lediglich, dass die Autorin in der Tat 2020 mit einer Kanzleisituation kämpft, die noch so gar nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist und digitale Akten und Prozesse dort eher störend und sinnlos gedoppelt wirken, als wäre man in einer Zeitmaschine irgendwo in den 90er gefangen. Aber vielleicht ist das ja auch die Realität in der überwiegenden Mehrheit der Kanzleien und macht den authentischen Charme der Erzähung aus.

Beim Leser wirken jedenfalls die beschriebenen Stolpersteine auf dem Weg in die digitale Kanzlei noch lange nach.

"Erstmal Kaffee." - ein vergnüglicher Lesespaß für die Kaffeepause mit Langzeitwirkung.

(Rezension: Dr. Geertje Tutschka, August 2020)

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Theresia Bohl

Erstmal Kaffee. Typischer Kanzleialltag

Amazon Publishing, Belletristik, 106 Seiten, Preis: 9,76 €

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Steuerliche Grundlagen, Falllösungen und Gestaltungsmöglichkeiten für Anwaltskanzleien

 

Das Autorenteam Dennis Janz LL.M./Dr. Thilo Schnelle LL.M. hat im letzten Jahr bereits im selben Format die steuerlichen Grundlagen bei der Veräußerung für Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Physiotherapiepraxen (beide 2019 erschienen, preiswerter und weniger umfangreich) veröffentlicht. Beide sind ausgewiesene Experten im Bereich des Steuerrechts und Steuerstrafrechts und besitzen einen betriebswirtschatlichen Hintergrund.

Für die Branche der Rechtsanwaltskanzlei (wohlgemerkt nicht der Steuerkanzlei und nicht der Patentanwaltskanzlei) haben sie tatkrägftige Unterstützung der Strafrechtlerin Dr. Arabella Pooth bekommen.

Ohne Frage ist das Thema aktueller denn je: der Rechtsmarkt unterzieht sich gerade einem tiefgreifenden Wandel.

Die Entwicklung von Legal Tech Produkten aus Anwaltskanzleien heraus stellt viele vor die Herausforderung von Ausgründungen. Die Übernahme von wichtigen Marktanteilen durch reine Legal Tech Unternehmen aber auch Versicherungen verschärft den Druck auf die Branche enorm. Schon seit einigen Jahren zweifeln Finanzierer an der Wirtschaftlichkeit der Übertragung bestimmter Kanzleitypen, insbesondere ländlicher Einzelkanzleien, die stark Inhabergeprägt sind und sich nur selten auf den Digitalisierungsweg begeben haben.

Dennoch ist mehr Bewegung denn je auf dem Kanzleimarkt: Übernahmen, Abspaltungen, Ein- und Ausgliederungen, Ein- und Austritte und der konstante Strom an Jungjuristen, die ein Auskommen suchen.

Da kommt ein Buch wie dieses gerade rechtzeitig, zumal vergleichbare Bücher zum Thema bereits über 10 Jahre als sind und daher kaum mehr brauchbar als professioneller Wegweiser.

Den einzelnen Kapiteln ist (leider) nicht zu entnehmen, welcher Autor mit welcher Expertise ihn jeweils verfasst hat, obgleich an manchen Stellen sehr unterschiedliche Schreibstile sowie die unterschiedliche steuerliche, betriebswirtschaftliche oder rechtliche Pespektive auffallen.

Dennoch ist es dem Autorenteam gelungen, die komplexe Materie strukturiert darzustellen. Für den steuerlich eher unbelasteten Leser (wozu ich auch viele meiner erfahrenen Anwaltskollegen zähle, in jedem Falle aber Berufsstarter) vielleicht etwas zu wenig Grundlagen und Basiswissen, für den Steuerrechtler jedoch in jedem Fall eine sehr hilfreiche Darstellung.

Wichtig ist auch sich zu vergegenwärtigen, dass das Buch sich ausschließlich aus steurlicher Sicht dem Thema nähert und die betriebswirtschaftliche und rechtliche Perspektive nur angerissen werden soweit es für die steuerliche Darstellung notwendig ist. So kann das Buch keinesfalls einziger Ratgeber für die Gründung oder den Erwerb einer Rechtsanwaltskanzlei sein - möchte es aber auch nicht.

Einzelne Kapitel sind außergewöhnlich gut gelungen.

So zeichnet sich Kapitel 4 "Gestaltungsmöglichkeiten bei der Wahl der Gesellschafterform" durch seine Übersichtlichkeit aus. Kapitel 1 "Bewertung von Anwaltskanzleien" wiederum differenziert ist sehr schön nach den jeweiligen Kriterien für die Unterschiedlichkeit der Kanzleien.

Das Aufzeigen von problematischen Situationen und Stolperfallen, noch nicht entschiedener Zweifelsfälle und Szenarien für Rechtsprechungsänderungen schaffen Gestaltungsspielraum. Etwas zu kurz kommen aus meiner Sicht das aktuelle Thema Datenschutz und die besondere Verschwiegenheitsverpflichtung bei Kanzleiübertragungen gerade auch im Hinblick auf die besonderen technischen Lösungen in den Kanzleien, das Thema Markenwert und Bewertung der (digitalen) "Reichweite" aufgrund der Positionierung der Kanzlei und der Anwälte, die Bewertung kanzleieigener Produkteintwicklungen sowie Bezüge zum Ausland.

Sehr positiv fällt auf, dass viele Fallbeispiele und Lösungen angeboten werden, um dem Leser ein tieferes Verständnis zu ermöglichen. Auch die zahlreichen Checklisten sind hilfreich, wenn auch gerade bei letzteren aufgrund der allgemein gehaltenen Überschriften leicht vergessen werden kann, dass diese keinesfalls als umfassende sondern eben nur steuerliche Checkliste (z.B. für eine Kanzleiveräußerung) genutzt werden sollte.

Alles in allem ist dem Autorenteam ein fundiertes und umfassendes steuerrechtliches Fachbuch zum Thema Kanzleierwerb gelungen, welches vor allem dem die Kanzleiübertagung bergleitenden Steuerberater wichtige Impulse gibt.

Dem zukünftigen Kanzleiinhaber kann es eine gute Einführung in die steuerrechtliche Komplexität eines Kanzleierwerbs geben und ihn auf das Gespräch mit dem verkaufenden Kollegen oder seinem Steuerberater vorbereiten.

Kein Anwaltskollege wird nach der Lektüre dieses Buches jemals wieder den steuerlichen Gestaltungsspielraum für seine Kanzlei unterschätzten. Und damit ist schon viel erreicht!

(Rezension: Dr. Geertje Tutschka, August 2020)

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Dennis Janz, Arabella Pooth, Thilo Schnelle

Gründung, Erwerb und Veräußerung einer Rechtsanwaltskanzlei -

Steuerliche Grundlagen, Falllösungen und Gestaltungsmöglichkeiten

Erich Schmidt Verlag, Fachbuch, 327 Seiten, Preis: 69,80 €

 

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Mehr zum Thema Kanzleimanagement finden Sie unter diesem Stichwort bei Aktuelles, bei unseren Büchern und im Download.

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