Weiterbildung für Juristen: Fachanwaltslehrgang oder Ausbildungen zum Mediator, zum Konflikcoach oder Legal Coach
Welche Möglichkeiten habe ich als Volljurist, mich weiterzubilden?
Auch als voll ausgebildeter Jurist oder Anwalt mit Berufserfahrung sollten Sie regelmäßig in Weiterbildung investieren: Immerhin ist ihre Ausbildung (und der Abschlussnachweis) Ihr wertvollsts Kapital, welches jedoch schnell an Wert verlieren kann, wenn Sie es nicht vertiefen, aktualisieren oder zumindest regelmäßig auffrischen.
Dabei werden die Begriffe Fortbildung und Weiterbildung umgangssprachlich oft synonym verwandt für alle möglichen Vorträge, Diskussionsrunden, Seminare, Workshops, Trainings und Zusatzausbildungen. Auch die Anbieter sind vielfältig: neben akademischen Anbietern wie z.B. die Fernuniversität Hagen oder die Universität und Business School St. Gallen (Schweiz) bieten auch Berufsverbände wie der Deutsche Anwaltsverein (DAV) über Anwaltsakademien (DAA, AWAK), aber auch WoltersKluwer, Haufe, Beck und zahlreiche Einzelinstitute Weiterbildung für Juristen an. Auf zentralen online Plattformen werden die verschiedenen Weiterbildungen heute zusammengefasst, wie z.B. bei LTO oder 1aAnwaltsseminare, so dass man sich gut über die Suchmaschine einen (wenn auch nicht vollständigen) Überblick verschaffen kann.
Mittlerweile sind auch die juristischen Weiterbildungen in der virtuellen Welt angekommen. Wichtig ist hierbei zu unterscheiden, ob es sich um eine synchrone online Veranstaltungen handelt (Live-Webinare mit Interaktion) oder asynchrone (ausschließlich mit aufgenommenen Lehrvideos ohne Interaktion - sog. Fernuntericht).
Was ist der Unterschied zwischen Fachseminaren und anderen?
Neben Fachseminaren zu rein juristischen Themen (neueste Gerichtsentscheidungen, Gesetzesänderungen, Spezial- und Randthemen) werden zunehmend auch andere Weiterbildungen speziell für Juristen angeboten. Diese umfassen entweder betriebswirtschaftliche und Managementthemen wie z.B. Buchhaltung und Büroorganisation oder sogenannten Soft Skills, wie z.B. zu Stimme und Rhetorik, Führungskompetenz oder Präsentationstechnik.
Worin unterscheidet sich Weiterbildung oder Fortbildung von einer post graduate Ausbildung?
Nach der allgemeinen Juristenausbildung gilt es in der Regel, sich zu spezialisieren und von den Kollegen für den Mandanten zu unterscheiden.
Ähnlich wie ein Facharzt kann der Fachanwalt vertieftes Wissen aber auch hohe praktische Erfahrung in seinem Gebiet vorweisen und dieses durch sein Fachanwaltszertifikat belegen. Die mittlerweile zahlreichen Fachanwaltsgebiete (ca. 25 in Deutschland) reichen vom Familienrecht über das Verkehrsrecht, Strafrecht bis hin zum Steuerrecht und können in verschiedenen Gebieten gleichzeitig erworben werden. Mittlerweile kann jeder dritte deutsche Berufsträger mindestens einen Fachanwaltstitel vorweisen. In Österreich gibt es keine Fachanwaltsausbildung. Fachanwälte sind anders als Nicht-Fachanwälte verpflichtet, sich nachweislich regelmäßig in ihrem Fachgebiet fortzubilden bzw. den Fachanwaltstitel zu aktualisieren. Ähnliches gilt für die Ausbildungen zum Mediator, zum Konfliktcoach oder zum Legal Coach.
Allerdings können Anwälte unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen auch sogenannte Tätigkeitsbereiche (mindestens 3 Jahre in diesem Bereich tätig) oder selbst gewählte Spezialgebiete angeben, die dann jedoch nicht von einer unabhängigen Stelle geprüft worden sind.
Auch akademische Zusatzabschlüsse wie die Promotion, also der Doktortitel (an der Universität) oder der Master of Law (LL.M.) als sog. Masterstudiengang weisen vertieftes (theoretisches) Wissen in einem Spezialgebiet nach, mit einem gewissen wissenschaftlichen Anspruch. Beide Abschlüsse können durch deutsche oder österreichische Juristen auch im Ausland erworben werden und belegen zusätzlich in der Regel auch überdurchschnittlich gute Examensergebnisse in der allgemeinen Juristenausbildung. Die Titel werden lebenslang dem Namen vor- bzw. hintenangestellt (In Österreich werden diese ge-gendert).
Die wesentlichsten Unterschiede zu allgemeinen und Fachfortbildungen sind:
- die Kurse umfassen mindestens 100 Stunden
- Ausbildungen setzen in der Regel Interaktion voraus
- sie schließen mit einer Prüfung und Ausbildungszertifikat ab
- sie kosten mehrere tausend Euro
- sie sind gesetzlich geregelt und von einer staatlichen Stelle kontrolliert (Ausnahme: Coaching)
Coaching ist nicht gesetzlich geregelt (weder national, noch EU weit oder international); wird aber seit Jahrzehnten durch die Berufsverbände für Coaches hinsichtlich Ausbildung, Qualität, Zertifzierung und Ethik streng überwacht und reglementiert. Mehr Informationen dazu entnehmen Sie bitte der Fachanwaltsordnung, der Promotionsordnung und dem Mediationsgesetz sowie für Coaching den Kernkompetenzen und Ethikrichtlinien der International Coach Federation (ICF).
Ob zusätzliche praktische Kenntnisse erforderlich sind, die Ausbildungen nur von (Voll)Juristen absolviert werden können oder sie erneuert werden müssen, variiert.
Worin unterscheiden sich die Lehrgänge zum Fachanwalt von denen zum Mediator, Konflikcoach und Legal Coach?
Während die Fachanwaltsausbildung ausschließlich rein juristisches Fachwissen vermittelt, befassen sich die Ausbildungen in der Mediation und im Coaching nicht mit juristischen Themen sondern vor allem mit Themen aus der Psychologie und Kommunikationswissenschaft (und können daher in der Regel auch von Nichtjuristen absolviert werden). Neben der Vermittlung von Gesprächsführungs- und Verhandlungstechniken (Negotiation und Arbitration) setzen diese Ausbildungen an der Persönlichkeit des Auszubildenden an, um Reflexion, persönliche Reife und Selbstmanagement zu erreichen. Ähnliches gilt auch für die Ausbildungen in Supervision und Mentoring (siehe auch die MentoringAusbildung bei der CLP-Academy).
Zusammengefasst bedeutet das:
- Ein Fachanwalt ist immer auch (Allgemein)Anwalt.
- Ein Mediator oder Coach muss gar keine akademische oder Berufsausbildung und erst Recht keine jurisitsache Ausbildung haben - hat aber in der Regel eine akademische Ausbildung (oft in Psychologie, Kommunikations- oder Sozialwissenschaften).
- Ausnahme ist der Legal Coach: hier gilt dasselbe wie beim Fachanwalt - ein Legal Coach ist immer auch ein (Voll)Jurist.
Was haben der Fachanwaltstitel oder der Titel des Mediators oder Coachs gemeinsam?
Die Kurste umfassen in der Regel mindestens 100 Stunden (Fachanwaltslehrgänge und Mediation sogar per Gesetz 120 Stunden) und schließen mit einer Prüfung und Ausbildungszertifikat ab, welches auch die Praxiserfahrung bestätigt.
Die Kosten staffeln sich wie folgt:
- Fachanwalt:ab 2.500 €
- Konflikcoach: ab 3.200 €
- Legal Coach/Konflikcoach: ab 5.000 € (z.B. bei der CLP-Academy)
- Mediator: ab 6.500 €
Doch welche Weiterbildung lohnt sich jetzt für Sie als Jurist wirklich?
Nach den aktuellen Auswertungen des Soldan Instituts lohnt sich eine Zusatzqualifikation wie z.B. der Fachanwaltstitel für die meisten Anwälte schon (mehr dazu im Buch "Kanzleigründung und Kanzleimanagement" Tutschka De Gruyter 2018):
- Fachanwälte haben höhere Stundensätze und Jahresumsätze
- Sie fühlen sich im Fachgebiet sattelfest und sind erfolgreicher
- Mandanten suchen heute nach dem Spezialisten, also dem Fachanwalt
Allerdings wirken andere Faktoren wie das Rechsgebiet, die Lage der Kanzlei und auch die Anzahl der Berufsträger sich deutlich stärker auf Stundensatz und Umsatz aus. Bleiben aber immerhin noch Punkt 2 und 3.
Der Stundensatz eines Fachanwaltes liegt in der Regel bei 150-300 €/Stunde; dies kann auch ein juristischer Mediator, Konfliktcoach oder Legal Coach aufrufen.
Zu bedenken ist jedoch, dass ein Mediator und Konflikcoach seine Parteilichkeit als Anwalt aufgibt und damit sein Mandatsverhältnis. Er darf in dieser Sache und auch in Folgesachen nicht mehr als Anwalt tätig werden und nur als Mediator/Konflikcoach abrechnen. Anders der Fachanwalt und Legal Coach, der sein Spezialwissen im Mandatsverhältnis einsetzen kann und Anwalt bleibt. Es bleibt auch sein Mandant.
Auch ist realistischer Weise zu sagen, dass die allermeisten juristischen Mediatoren nur selten bis gar keine Mediationen in der Praxis tatsächlich durchführen, da der Bedarf einfach nicht sehr hoch ist. anders hingegen verhält es sich bei der praktischen Anwendung von Fachanwalts- und Coachingausbildungen, da diese immer auch punktuell zum Einsatz kommen.
So oder so - all diesen Ausbildungen wird Zukunftsfähigkeit bescheinigt:
Obwohl das "Geschaftsmodell" Fachanwaltsausbildung boomt und in wenigen Jahren knapp 25 Spezialisierugnen geschaffen worden sind, sind längst noch nicht alle Rechtsgebiete umfasst, wie z.B. Sportrecht oder das Vereinsrecht. Die Mediation hat ihren Hype wohl hinter sich und es stellt sich Ernüchterung vor allem in der Anwaltschaft ein. Nichtsdestotrotz sind alternative und nachhaltige Streitbeilegungen nach wie vor attraktiv und treffen den Puls der Zeit.
Coaching wird als DIE Personalentwicklungsmaßnahme der Zukunft beschrieben und ist mit seiner universellen Anwendbarkeit geradezu inflationär in Wirtschaft und Weiterbildung vertreten. Hier braucht es sicherlich noch Marktbereinigung um "Möchtegern-Coaches", allerdings ziehen gut ausgebildete und hochqualifizierte Coaches auch heute schon beispielsweise im Executive-Bereich wichtige Fäden in Wirtschaft und Gesellschaft und können durchaus preislich mit Top-Juristen mithalten.
Diese drei Fragen sollten Sie sich stellen, bevor Sie sich für eine Aus- und Weiterbildung entscheiden:
- Passt die Aussbildung zu meiner Persönlichkeit, meinem Mandantenstamm, meinem Geschäftsmodell?
- Habe ich ein konkretes Ziel für meine Persönlichkeit/Kariere/Kanzlei und investiere ich zielgerichtet und regelmäßig in die dazu passenden Aus- und Weiterbildung für mich/meine Mitarbeiter?
- Stelle ich dafür regelmäßig ein ausreichendes und realistisches Weiterbildungsbudget an Geld und Zeit zur Verfügung?
... und nun ist es an Ihnen zu entscheiden: Welche Ausbildung ist die Richtige für Sie?
"Wer glaubt etwas zu sein hat aufgehört etwas zu werden." (Sokrates)
"Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, hört man damit auf treibt man zurück." (Laotse)
"Bildung ist nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen." (Heraklit)
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Die Autorin Dr. Geertje Tutschka, PCC ist seit 25 Jahren Anwältin und hält eine Anwaltszulassung in Deutschland sowie eine solche als Europaanwältin in Österreich. Aktuell ist sie Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Auslandvereins Österreich. Sie hat im Vertragsrecht promoviert und eine Fachanwaltsausbildung im Familienrecht. Als ausgebildeter Coach hält sie die ICF-Zertifizierung Professional Certified Coach (PCC). Sie besitzt zahlreiche Zusatzausbildungen (z.B. zum Trainer), unterstützt Young Professionals regelmäßig mit Mentoring und lehrt in der juristischen Weiterbildung an der CLP-Academy als Ausbilderin im Legal Coaching sowie an der Fernuniversität Hagen im Masterstudiengag Recht.