Interview: Anja Siebenmorgen-Kölle
Die CLP - Interviewreihe geht in die vierte Runde: Diesmal kommen wieder zehn JuristInnen zu Wort, die coachen - Legal Coaches, die aus sehr unterschiedlichen Gründen sich Zusatzkompetenzen mit einer professionellen Coachingausbildung erworben haben.
CLP hat diese Legal Coaches in sehr unterschiedlichen Positionen dazu befragt, was sie dazu bewogen hat und wie Coaching ihre berufliche Laufbahn maßgeblich beeinflusst hat:
Darf ich Sie bitten, sich zunächst selbst vorzustellen?
Ich bin Anja Siebenmorgen-Kölle. 53 Jahre alt. Rechtsanwältin, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht und Partnerin in der mittelständischen Kanzlei von Einem und Partner in Bremen. Mutter, Oma und Ehefrau. Begleitet und bewacht von meiner Hündin Holly.
Ich habe in Trier Jura studiert und mein Referendariat in Köln absolviert. Zwischen 1. und 2 Staatsexamen war ich im Vertragsmanagement bei der Treuhandanstalt in Leipzig tätig. Eine Stadt, der ich mich immer noch tief verbunden fühle, nicht nur weil ich dort meinen Mann kennengelernt habe.
Im Referendariat kam unsere Tochter in Köln zur Welt. Eine schöne Zeit an die ich gerne zurückdenke, mein Mann und ich waren jung und unbeschwert und konnten das Leben mit Baby sehr gut genießen.
Danach ging es nach Frankfurt am Main, als Leiterin einer Rechtsabteilung eines start up Unternehmens aus der Telkommunikationsbranche. Beruflich für mich eine der wichtigsten und abenteuerlichsten beruflichen Stationen. Eine spannende und sehr kreative Zeit, in der ich mein Interesse für Gesellschaftsrecht und M&A - Transaktionen gefunden habe.
Nach der Geburt unseres Sohnes sind wir nach Bremen gezogen und seitdem bin ich als Rechtsanwältin selbstständig tätig und fast 20 Jahre ausschließlich beratend im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht tätig. Mit großer Leidenschaft, entwickle ich mit meinen Mandanten Strategien für eine Krisenbewältigung, sei es die Vermeidung einer Insolvenz oder die Überwindung eines Gesellschafterstreits.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Haben Sie Coaching als Klient kennengelernt?
Als eine befreundete Kollegin mir im Supermarkt lange und ausführlich erzählte, dass sie mit über 50 noch einmal neu durchgestartet ist und sich als Coach selbstständig gemacht hat und wie glücklich sie nun ist, durch Coaching viel näher am Mandanten zu sein und wirklich zur Konfliktlösung und inneren Einsicht des Mandanten beitragen kann.
Dieses Gespräch spukte mir noch lange im Kopf und es hat mich nicht mehr losgelassen.
2. Was hat Sie daran besonders fasziniert? Worin sehen Sie gerade für Juristen den Mehrwert beim Coaching?
Mich fasziniert dass ich Mandanten mit den richtigen Fragen, zu einem Perspektivwechsel und einem neuen Lösungsfokus führen kann. Ich freue mich, wenn Mandanten ihre eigenen Lösungen entwickeln.
Als Rechtsanwältin gebe ich die Lösung vor und führe den Mandanten in der rechtlichen Auseinandersetzung. Als Coach entwickle ich zusammen mit meinen Mandanten die für ihn beste Lösung. Die rechtliche Beratung tritt in den Hintergrund und die ganz eigene Sicht auf das Geschehen tritt in den Vordergrund und schafft Mut einen eigenen Weg selbstständig zu gehen.
Immer wieder sind mir in meiner rechtlichen Beratung oder auch im Gespräch mit Kollegen Menschen begegnet, die von ihrer Situation erschöpft und gestresst waren. Gerade unter Kollegen kann die ständige Erwartungshaltung stark und professionell zu sein eine ehr große Belastung sein.
Wenn Mandanten und Kollegen ihre Selbstwirksamkeit wieder finden, ihre Resilienz, ihre Glaubenssätze erkennen und erkennen was sie selbst ganz persönlich ändern können, ist dies für mich auch ein glücklicher Moment und die sich hieraus ergebe Beratung ist oft viel nachhaltiger als ausschließlich die rechtliche Führung im Mandat.
Es gibt mir persönlich positive Impulse, Kraft und Freude an meiner Arbeit.
Es ist Zeit, die anwaltliche Beratung zu überdenken und neu zu gestalten. Dass ich nicht allein dies so sehe, zeigt mir das Engagement des Deutschen Anwaltsvereins. Dort gibt es ab jetzt die Plattform zur Intervision. Intervision ist eine kollegiale Beratung in moderierten Gruppen auf Augenhöhe und mit Wertschätzung. Natürlich habe ich mich umgehend registriert.
3. Wie setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?
Nach meiner Zertifizierung habe ich zusätzlich ein Gewerbe angemeldet und biete Legal Coaching als Coach und als Trainerin in Seminaren und Workshops an. Völlig losgelöst von meiner Tätigkeit als Anwältin.
In meiner anwaltlichen Beratung greife ich auf meine neu erlernten Mittel zur Konflikt – und Zielanalyse zurück und biete neuerdings auch legal coaching als Ergänzung zur Rechtsberatung an.
Ich bin sicher, das macht die Branche lebendiger und sorgt für etwas, wovon ich mir in den ersten Jahren meiner Berufstätigkeit als Anwältin immer viel mehr gewünscht habe - mehr Leichtigkeit und gute Laune.
4. Was hat sich für Sie nach ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert?
Ich bin mutiger geworden den Konflikt hinter dem Konflikt direkt anzusprechen und alternative Lösungen außerhalb der eigentlichen rechtlichen Lösung anzubieten. Meine Arbeit ist viel diverser geworden, mit mehr Ruhe und Kraft.
Vielen herzlichen Dank.
Freuen Sie sich auf weitere Legal Coaches und lassen Sie sich inspirieren!
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Mehr zu Anja Siebenmorgen-Kölle finden Sie hier: ASK Legal Coaching und Kanzlei v. Einem und Partner
Informieren Sie sich hier über die Legal Coaching Ausbildung bei CLP und das Programm 2022 sowie die offene Seminarreihe zu Legal Coaching für alle Interessierten (ideal, um von dort in die Ausbildung zu starten)
Achtung: Die Anmeldung für den nächsten Ausbildungskurs ab November 2022 ist bereits eröffnet!