05.05.2019

Woran erkenne ich einen guten Coach?

Coaching ist für die persönliche Weiterentwicklung längst etabliert und ein gefragter Service. Geht es doch anders als im Training und der Schulung dabei ausschließlich um die eigenen Wünsche und Ziele, die eigene Persönlichkeit, das eigene Leben. Ein guter Coach kann als Sparringpartner wertvolles Feedback geben – agiert er doch anders als Freunde, Familie und Kollegen ohne eigene Agenda und unvoreingenommen, dafür aber mit wirkungsvollen Fragetechniken, die Drama auffangen, Sackgassen vermeiden und Lösungsräume eröffnen.

Doch woran erkennt man einen guten Coach und warum kann mich nicht mein Chef oder mein Lebenspartner coachen, die doch mich und meine Situation am Besten kennen? Ist die klassische Empfehlung, das Veröffentlichen eines Buches oder ein launiger Rednerbeitrag auf einer der Karrieremessen Garant dafür, dass dies ein guter Coach sein muss? Und wo beginne ich mit meiner Suche nach einem guten Coach, nach meinem Coach?

Dr. Geertje Tutschka, erfahrene Juristin im In- und Ausland und selbst nach den internationalen Standards des größten Berufsverbandes professioneller Coaches ICF ausgebildet und zertifiziert, fasst in 10 Punkten zusammen, worauf es wirklich ankommt. Mit CLP - Consulting for Legal Professionals coacht Sie Anwälte zu Kanzlei- und Karriereentwicklung. Seit 2016 führt sie als Präsidentin das deutsche Chapter der International Coach Federation (ICF) und gestaltet als Delegierte im Round Table Coaching der 17 größten (Misch-)Verbände für Coaches den Coachingmarkt in Deutschland aktiv mit.

Auch wenn der Begriff des Coaches und Coaching als Methode in manchen Ländern noch nicht geschätzt bzw. gesetzlich definiert ist (so auch nicht in Deutschland, wohl aber in einigen anderen Ländern Europas und der EU), gibt es seit Jahrzehnten etablierte Qualitätsstandards sowie ethische Richtlinien (vergleichbar einer Vorstufe des Berufsrechtes). Diese Standards sind gemeinsam von den Experten der Branche, den Berufsverbänden und Universitäten, Juristen, Psychologen, Personalentwicklern und Verwaltung, erarbeitet worden, um ein Mindestmaß an Transparenz für den Kunden, den Coachee sicherzustellen.

Hier eine kurze Auflistung der wesentlichen Punkte nach Wichtigkeit:

1. Coaching-Ausbildung

Ein professioneller Coach sollte in mindestens 60 Stunden die Grundlagen der Methode des Coachings und diverse Kommunikationstechniken und –werkzeuge erlernt haben. Spezialausbildungen, die sich nur dem Erlernen einer Technik widmen – wie beispielsweise klassische NLP-Ausbildungen – sind dafür nicht geeignet, wohl aber als Weiterbildungsangebot für ausgebildete Coaches. Teil der Ausbildung ist dabei auch, Gefahren wie ernsthafte psychische Erkrankungen, Traumata und Depressionen, fortgeschrittenes Burn-Out oder Suizid-Gefährdung rechtzeitig zu erkennen und professionell und rechtzeitig an Spezialisten abzugeben. Ein guter Coach wird von sich aus seine Ausbildung (bzw. Zertifizierung) transparent machen, da diese bereits viel über seine Arbeitsweise, Erfahrung und Methoden verrät. Die Ausbildungen sollten also mit Umfang, Jahr und Abschluss zumindest auf der Webseite des Coaches abgerufen werden können. Sind diese nicht erkennbar oder nur andere Ausbildungen genannt (Mediator, Trainer, Psychologe, Berater) kann man davon ausgehen, dass hier jemand ein "selbsternannter Coach" ist, der tatsächlich zumindest im Coaching nicht weiß, was er tut.

2. Lebenserfahrung

Da als Coach eine gewisse persönliche Reife erforderlich ist, wird in der Regel ein Mindestalter von 30 Jahren empfohlen, abhängig von der persönlichen Lebenssituation (Auslanderfahrung, Kulturendiversität, verheiratet, Familie, persönliche Schicksalsschläge gemeistert etc.)

3. Feldexpertise

Zusätzlich sollte der Coach eine abgeschlossene Berufsausbildugn bzw. Studium haben und auch bereits Berufserfahrugn gesammelt haben. Als Feldexpertise wird dabei einschlägige Berufserfahrung bezeichnet, also Erfahrungen aus der Branche und der Lebenssituation des Coachee. So ist im Familiencoaching eigene Familie wertvoll. Im Executive Coaching sollte eigene Erfahrung als Fürhungskraft in Wirtschaftsunternehmen vorliegen.

4. Matching

Passt also die objektive Eignung des Coaches, sollte unbedingt ein sogenanntes Matching stattfinden. Dabei geht es um den Chemie-Check zwischen Coach und Coachee. Da Coaching ein sehr vertrauensvolles, offenes Miteinander erfordert, sollten sich beide sympathisch sein und das gleiche Menschenbild haben. Grundlage kann ein ausführliches Profil des Coaches sein. In manchen unternehmen selektiert HR diese nach den ersten drei Punkten vor und bietet dann einer internen Coach-Datenbank an. Mittlerweile gibt es aber auch über die Berufsverbände (Credentialed Coach Finder) oder online Plattformen wie Xing.Coaches, Coachimo, Coachfox oder BetterCoach Möglichkeiten, sich Coaches mit Suchmaschinen zu filtern. Dabei werden immer öfter professionelle Coaches von “Möchtegern-Coaches” durch verifizierte Profile abgegrenzt. Wichtig und absolut unersetzlich ist jedoch ein Kennenlerngespräch (telefonisch oder direkt), welches immer kostenfrei, vertraulich und unverbindlich stattfinden sollte.

5. Zertifizierung

Eine Zertifizierung erhält der Coach nur von einer neutralen Stelle, wie z.B. einem Berufsverband. Dieser prüft, ob die Ausbildung des Coaches tatsächlich den Anforderungen entspricht, ob der Coach praktische Erfahrung im Coaching hat (mindestens 100 Stunden), ob sein Coaching korrekt durchgeführt wird (anhand zweier Prüfungscoachings), er sich regelmäßig weiterbildet und sich den ethischen Standards verpflichtet. Zertifikate sind in der Regel alle drei Jahre zu erneuern, um ein kontinuierliches Qualitätsmanagement für die Kunden zu gewährleisten. Zertifizierte Coaches weisen ihr Zertifikat regelmäßig unaufgefordert vor, um sich auszuweisen. Alle anderen diskutieren gern, warum gerade sie kein Zertifikat brauchen. 

6. Ethik und Compliance 

Die Verpflichtung zu den Qualitätsstandards und den ethischen Guidelines für Coaching stimmt der professionelle Coach mit der Mitgliedschaft in einem Berufsverband für Coaches zu oder im Rahmen seiner Zertifizierung. Die deutschen Berufsverbände für Coaches sind im Roundtable-Coaching.eu zusammengefasst. Die Internationale Coach Federation (ICF – www.coachfederation.org) steht seit fast 30 Jahren für international einheitliche Standards. Dadurch erhält der Coachee auch die Möglichkeit, bei Verstößen des Coaches eine Schlichtungsstelle in Form einer Ethikkommission anzurufen oder einen Compliance-Verstoß anzuzeigen, was ihm als Kunden größtmöglichen Schutz gewährt.

7. Vertrag, Vertraulichkeit und Kostentransparenz

Ein nicht unwesentlicher Aspekt guten Coachings ist der Abschluss einer schriftlichen Coachingvereinbarung. Diese sollte alle wichtigen Details wie die Abbruchmöglichkeit, thematische Konkretisierung, den Zeitrahmen, Vertraulichkeit und Interessenkonflikte, Datensicherheit und Kosten beinhalten. Gerade bei der Beauftragung/Bezahlung des Coaches durch den Arbeitgeber aber auch bei internen Coaches kann es leicht zu unerlaubten Unsauberkeiten kommen. Auch Mischprodukte sollten transparent gemacht werden, wenn also neben dem Coaching auch die Expertise des Coaches als Berater eingekauft wird oder dem Coaching ein Training/Workshop vorangeht.

8. Klare Zieldefinition

Gutes Coaching braucht eine klare Zieldefinition. Diese zu erarbeiten wird die erste große Aufgabe für Coach und Coachee sein. Der Coachee ist dabei der alleinige Bestimmer von Inhalt, Tempo und “Abzweigungen”. Der Coach ist verantwortlich für das Setting, den idealen Prozessverlauf, die Rahmenbedingungen, die Zielorientiertheit und das Zeitmanagement.

9. Evaluation

Empfehlenswert ist, am Ende in jedem Fall den Prozess zu evaluieren. Dies kann durch ein einfaches Feedback (direkt oder anonym) erfolgen, aber auch softwareunterstützt. Die Evaluation gibt Auskunft darüber, ob und was das Coaching und die damit verbundene Investition gebracht hat, was verbessert werden kann und ob es einer Fortsetzung für die nachhaltige Implementierung der Ergebnisse bedarf. Hierfür gibt es bereits sehr gute technische Tools und Software, aber auch der gute alte Fragebogen kann helfen. In der ICF-Broschüre "Qualitätsmanagement im Einzelcoaching" sind gute Evaluationsprozesse etablierter Coachingprogramme in Unternehmen nachzulesen (erhältlich bei Amazon).

10. Berufsverband

Letztlich kann die Mitgliedschaft in einem Berufsverband bereits Aufschluss über die Arbeitsweise des Coaches und seines Berufsverständnisses geben. Ist er kein Mitglied, arbeitet er sehr frei und ungebunden. Ist er lediglich Mitglied in einem nationalen Verband, arbeitet er sicherlich eher im Privatkunden Bereich oder startet gerade erst. Engagiert er sich hingegen in einem sogenannten Mischverband, der außer Coaches mehrheitlich Trainer, Mediatoren oder Supervisoren vertritt, ist er in den allermeisten Fällen auch selbst eher als Trainer, Mediator und Supervisor etc. unterwegs und Coaching ist für ihn nur Nebensache. Ist er hingegen Mitglied in einem euroäischen oder internationalen Verband nur für Coaches, ist er in Wirtschaftsunternehmen erfahren und arbeitet mit offenem und interkulturellem Mindset. Moderne Weiterbildung und ein starkes diverses Netzwerk sind ihm wichtig.

Noch bis vor Kurzem wurde hier gern auch noch

  • die Empfehlung,
  • die Veröffentlichung eines Coaching-Fachbuches oder
  • die Auszeichnung mit einem Preis genannt. 

Auch wenn eine differenzierte Empfehlung eines Kollegen oder Freundes sicherlich hilft, Vertrauen aufzubauen, warne ich gern davor, dieses subjektive Kriterium objektiven Kriterien wie einer Ausbildung oder  Zertifizierung vorzuziehen. Auch können Erwartungshaltungen entstehen, dass der eigene Coachingprozess ähnlich toll verlaufen wird. Jede Coachingbeziehung und jedes Coachingthema sind jedoch individuell und von sehr vielen Faktoren beeinflusst, so dass ich einer Empfehlung allenfalls ergänzend Beachtung schenken würde.

Die Veröffentlichung eines Coachingbuches ist ebenso wie das Erleben auf der Bühne als Speaker ein vom Coaching selbst sehr verschiedener Vorgang. Nicht jeder gute und qualifizierte Coach ist ein begnadeter Autor oder Speaker. Muss er auch nicht sein, da für einen guten Coach definitiv andere Eigenschaften, wie Empathie und Selbstreflexion wichtig sind. Auch hier also lieber nicht den Lieblingsautor oder Tausendsassa von der  Karrieremesse buchen.

Die Auszeichnung mit einem Preis spricht zwar für die (objektive) Jury-Anerkennung der Leistung des Coaches. Allerdings sollte hier immer hinterfragt werden, durch wen der Preis wofür verliehen worden ist und ob hier eine objektive unabhängige Jury/Evaluation stattgefunden hat. Ein "Top Coach Siegel", welches von einem großen Medienunternehmen auf den Coaching-Markt gebracht wird, um (Medien-)Kunden zu generieren und damit ein Geschäftsmodell (durch Verkauf des Siegels für teuer Geld an Coaches zur Nutzung) zu betreiben, ist sicherlich weniger geeignet. Auch die Auszeichnung eines Coaching-Tools (Software, Knetbälle etc.) ist sicherlich kein Maßstab dafür, ob der Coach als Coach gut ist. Etwas anderes kann aber gelten, wenn der Coach Teil eines ausgezeichnetes Programmes ist: wie z.B. beim Prism Award der ICF, der an Coachingprogramme in Unternehmen verliehen wird, die die strategische Entwicklung des Unternehmens oder einen bestimmten Veränderungsprozess im Unternehmen maßgeblich und nachhaltig begleitet hat. Ein solcher Preis ist für Unternehmen oft die Bestätigung guter Personalarbeit und sichert dem HR Business Partner sein Budget.

Alles in allem ist die Suche und Auswahl des Coaches heute aufgrund ausgereifter Zertifzierungssysteme der Berufsverbände und online Plattformen um einiges leichter als noch vor einigen Jahren. Gleichwohl bleibt es eine sehr persönliche und aufwendige Angelegenheit, wenn man sich im Vorfeld einen guten Überblick verschaffen möchte und nicht auf gut Glück den erstbesten Coach wählt - was natürlich auch gut funktionieren kann. 

Zum Schluss sei die (Coaching)Frage erlaubt: Woran werden Sie erkennen, dass der Coach gut war?

Daran,

  • dass Sie eine intensive, vertrauensvolle Zeit miteinander hatten,
  • dass Sie viel Spass hatten und moderne, verrückte Tools ausprobiert haben
  • dass Sie Ihr Ziel erreicht haben oder ihm jedenfalls ein Stück näher gekommen sind?

Die ehrliche Antwort auf diese Frage kann gleich zu Beginn wichtige Weichen in die richtige Richtung stellen. Sich selbst und seine Bedürfnisse, seine Trigger und Kommunikation zumindest ehrlich einzuschätzen, ist ein guter Start. In jedem Falle wichtiger, als nach Wohlfühlmomenten und "Wellness-Coaching" bei Referenzen zu suchen.

Denn ein gutes Coaching kann wie ein guter Zahnarztbesuch sein: schön war's nicht; aber längst überfällig und wichtig.

Und daher ist es hier wie bei vielem anderen: Die Suche nach einem guten Coach fängt bei Ihnen an.

 

 

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