15.08.2019

Resilienz: Was der Hype um Legal Tech mit den Menschen macht

„Legal Tech“ ist das Thema der Stunde. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht eine neue Fachtagung zu diesem Thema „diese bunte Kuh erneut durchs Dorf treibt“ – zur Freude der daran verdienenden Unternehmen. Bei den Kollegen hingegen erzeugt es Druck und schürt Zukunftsängste, finanzielle Besorgnis und Überforderung durch Informationsflut.

Prof. Dr. Jutta Heller

„Legal Tech“ ist das Thema der Stunde. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht eine neue Fachtagung zu diesem Thema „diese bunte Kuh erneut durchs Dorf treibt“ – zur Freude der daran verdienenden Unternehmen. Bei den Kollegen hingegen erzeugt es Druck und schürt Zukunftsängste, finanzielle Besorgnis und Überforderung durch Informationsflut.

Die Konkurrenz in der Legal Branche ist groß – und nimmt stetig zu. Ebenso die Anforderungen an das eigene Leistungsvermögen. Und dabei geht es noch nicht einmal um die ständige Erreichbarkeit dank Digitalisierung. Oder Gender Diversity.

Schon längst sind Juristen heute nicht mehr nur Anwalt und ggf. Kanzleiinhaber. Sie verantworten die Personalführung, das Marketing, die Kanzleistrategie, Akquise, Facility- und Kanzlei-Managment, das Erschließen neuer Geschäftsfelder und Investitionen …

Und nicht zu vergessen, dass es auch so etwas wie Privatleben gibt, geben sollte: Freunde, Familie, die Eltern. Kein Wunder, dass immer öfter gerade diese privaten Themen – lange Zeit verdrängt – letztendlich zu einem Bruch mit der Alltagsspirale führen. Sinnkrisen, Vereinsamung bis hin zu massiven körperlichen Symptomen nehmen in unserer Beratungspraxis zu.

Während die einen bei diesem Tempo mithalten können, sich ordentlich „Fahrtwind“ um die Nase wehen lassen und die rasante Entwicklung vor allem als Chance begreifen können, fällte es anderen zunehmend schwerer, mitzuhalten. Sie steigen aus, verfallen in Handlungsstarre, neigen zu unüberlegten Kurzschlussreaktionen und zeigen massive Stresssymptome.

RESILIENZ – ist der Begriff, der für diese Situation von Experten geprägt worden ist.

Ein Begriff, der auch in der Legal Branche stärker in den Fokus rücken sollte. Wir haben daher heute Prof. Dr. Jutta Heller gebeten, eine Expertin auf dem Gebiet der „Resilienz“, uns als Gastautorin Einblicke in Ihr Arbeitsgebiet zu geben:

„Management von Ungewissheit mit Resilienz

Die Sonne strahlt, bestes Wetter und trotzdem scheinen nur die dunklen, bedrohlichen Wolken am Horizont relevant für das eigene Leben zu sein…

Stellen Sie sich vor: Ihr Unternehmen mit rund 200 Mitarbeiter/-innen soll aufgekauft werden. Das andere Unternehmen hat über 1000 Mitarbeiter/-innen. Aktuell laufen dazu geheime Verhandlungen. Und natürlich reden Sie mit Kollegen/-innen über die Situation und da keiner Genaues weiß, malt jeder sich in seiner Fantasie diese ungewisse Zukunft aus. Diese Fantasien mit „was wäre wenn…“ machen Angst, drücken auf die Stimmung, lähmen.

Keine angenehme Vorstellung, jedoch können Sie mit den Strategien der Resilienz so für sich sorgen, dass Sie denk- und handlungsfähig bleiben.

Resilienz: Was ist das?

„Resilienz“ (lat. ‚resilire’ – zurückspringen, abprallen) bedeutet „Widerstandskraft“; d.h. es geht um die Fähigkeit, sich aus jeder beliebigen Lage wieder aufzurichten – durch den Rückgriff auf eigene Ressourcen. Resilienz kann als Persönlichkeitseigenschaft (Werner 1982) gesehen werden, wobei neuere Ansätze von einer Person-Umwelt-Konstellation ausgehen (vgl. Staudinger & Greve 2008, S. 118). Persönlichkeitseigenschaften werden in diesem Ansatz als vermittelnde Faktoren gesehen. Die Art des Bearbeitungsprozess einer Risikolage als auch Umweltfaktoren wie z.B. Bezugspersonen und soziale Netzwerke spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Resilienz beinhaltet demnach „traits“ (Persönlichkeitseigenschaften), aber insbesondere Kompetenzen und veränderbare „states“ (innere Zustände) mit Denk- und Verhaltensmustern, die präventiv und insbesondere in herausfordernden, stressigen Situationen hilfreich für die Stabilisierung, Gesunderhaltung und Produktivität von Menschen sind. Diese „states“, Denk- und Verhaltensmuster lassen sich trainieren.

Ein kleiner Trainings-Ausschnitt

Wenn Sie Ihre aktuelle Situation mit einem Schiff vergleichen würden… welches Schiff würden Sie wählen? (Segelschiff, Dampfer, Containerschiff, Öltanker etc.)

Was haben Sie alles geladen? Ist Ihr Schiff voll? Sind Sie gerade auf hoher See oder liegen Sie fest vertäut im Hafen? Haben Sie Mitarbeiter und Gäste an Bord? Wenn Sie mit dem Schiff unterwegs sind, wie ist Ihr Kurs, ist Ihr Ziel klar und wie nah sind Sie beim Ziel? Was würden Sie verändern wollen?

Mit solch einem Einstieg sind die Teilnehmer schnell „in Fahrt“, so dass Wünsche für das Training offen geäußert werden. Folgende Themen werden häufig genannt: Strategien für Veränderung, Grundhaltung lockern, weniger kämpfen müssen, besser mit Stress umgehen, Mut für Veränderung bekommen, Richtung wieder finden, Nein-Sagen lernen, wieder leistungsfähig werden.

Mit Unternehmens-Resilienz gemeinsam erfolgreich sein

Stress, Belastungen und psychische Erkrankungen nehmen zu und damit steigt auch die Fehlzeitenquote in Unternehmen. Insbesondere Ihre Leistungsträger sind gefährdet. Sie würden eine große Lücke reißen, wenn sie ausfallen. Zunehmende Komplexität, Globalisierung, Digitalisierung, Um- und Neustrukturierungen, fordern von Führungskräften und MitarbeiterInnen flexible Handlungsfähigkeit trotz schwieriger Umstände.

Zuerst braucht es eine Sensibilisierung für die zentralen Handlungsfelder, damit Menschen und Organisationen ihre Belastungsfähigkeit und Widerstandskraft entwickeln und ausbauen. Einerseits können Sie sich auf Krisen vorbereiten, damit Sie in der Krise flexibel und handlungsfähig bleiben. Andererseits braucht es nach einer Krise Stabilisierung, Erholung sowie ein Wachsen und Innovieren aufgrund der Erfahrungen.

  • Setzen Sie auf den Aufbau von mehr Unternehmens-Resilienz. Dafür können Sie sowohl beim Einzelnen, bei Teams als auch bei der gesamten Organisation ansetzen.
  • Orientieren Sie sich an der neuen ISO Norm für organisationale Resilienz, damit Sie und Ihr Unternehmen für die turbulente VUKA-Welt gewappnet sind.

Starten Sie mit dem Resilienz-Schlüssel Akzeptanz

Akzeptanz und Ja sagen z.B. zu Unternehmensentscheidungen gerade in Veränderungen, die man selbst anders getroffen hätte, fordert Führungskräfte und Mitarbeiter. Im ersten Schritt brauchen dann Führungskräfte effektive Selbstcoaching-Strategien. Im zweiten Schritt brauchen sie Coaching-Strategien für ihre Mitarbeiter, um diese neu und sinnhaft zu orientieren und in der Veränderung mitnehmen zu können. Hilfreich sind dafür Strategien zum Loslassen, die Menschen aus bisherigen Veränderungserfahrungen ableiten können sowie die Fokussierung auf eine Veränderung der eigenen Innenwelt, so dass Angst reduziert und zunehmend wieder Freude empfunden werden kann.

Im Training gesammelte Ideen:

  • Die eigenen Gedanken aufschreiben.
  • Das Worst Case Szenario ganz konkret aussprechen (Kündigung, Job an anderem Standort, kein Job mehr etc.) und die jeweilige Situation zu Ende denken.
  • Eigene Stärken bewusst machen, Blick auf Chancen lenken.
  • Sich Zeit geben, um sich gedanklich auf die Zukunft einzustellen, um die Veränderung zu akzeptieren.
  • Aushalten, dass die eigenen Gefühle zwischen dem Plus- und Minus-Pol hin und her schwanken, das ist normal.
  • Sich mit anderen positiv gestimmten Kollegen zusammen tun.
  • Sich als Einzelner und als Team Unterstützung gönnen, um sich für die Gegenwart und Zukunft gut ausrichten zu können.

Im Training erlebe ich immer wieder, dass Akzeptanz der entscheidende Schlüssel für eine Neuausrichtung ist. Management von Ungewissheit – das ist eine zentrale Stärke zur eigenen Zukunftssicherung. Mit Resilienz werden Sie einen Schritt weiter kommen.

Verantwortung als Führungskraft

Resilienz wurde eingangs als Person-Umwelt-Konstellation definiert. Für eine Führungskraft gilt hierbei immer eine doppelte Perspektive: Einerseits muss sie sich um sich selbst kümmern, andererseits ist sie verantwortlich für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Resilienz sollte daher nicht nur als individuelle Qualität sondern ebenso als eine interaktionale Qualität gesehen werden. Setzen Sie auf stärkenorientierte Strategien, indem Sie die verschiedenen Resilienzschlüssel weiter entwickeln. Setzen Sie auf risikominimierende Strategien, indem Sie sich selbst mehr wahrnehmen, Ihre Grenzen respektieren und sich vor Überlast schützen. Setzen Sie auf prozessorientierte Strategien mit Methoden aus der systemischen Beratung, um selbst und zusammen mit Ihren Teams situationselastisch besser reagieren und sich anpassen zu können. So ernten Sie weniger Widerstand, werden zusammen mit Ihren Mitarbeitern mehr Freude erleben, leistungsstark, gesund und zufrieden sein. Resilient zu handeln bedeutet folglich, mit den Widrigkeiten des Lebens gut umgehen zu können. Und genau dies wird auch Teams und Unternehmen erfolgreicher machen.

Suchen Sie sich Ihren Lotsen, um mit Ihrem Lebensschiff die gefährlichen Gewässer mit Strömungen und Untiefen gut zu meistern. Es ist Ihre persönliche Entscheidung auf dem Weg zu einer resilienten Führungskraft.“

Führen Sie Ihre Kanzlei resilient? Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern?

Fragen, die Sie sich als Kanzleiinhaber, als Führungskraft – als Kapitän – unbedingt stellen sollten – um im Bild zu bleiben.

In diesem Sinne

Herzlichst –

Ihre Dr. Geertje Tutschka

Die Autorin

Prof. Dr. Jutta Heller ist spezialisiert auf individuelle und organisationale Resilienz. Sie ist systemische Beraterin, Business Coach und zertifizierte Rednerin. Seit 2015 leitet sie eine 1jährige Ausbildung Resilienzberatung. Sie sagt über sich: „In meinem früheren Leben habe ich vieles festgehalten und in Kauf genommen, um mich nicht zu verändern. Jedoch durch eine große Krise habe ich gelernt, dass alles möglich ist, wenn ich in einem guten Zustand bin.“ Dieser ressourcenorientierte Ansatz ist ihr wichtig für alle ihre Kundenprojekte.

Weitere Infos unter www.juttaheller.de

Weitere Infos rund um Resilienz:

Heller, J. (2016): Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke, 6. Aufl., München

Heller, J. (2016). Das wirft mich nicht um. Mit Resilienz stark durchs Leben gehen, 3. Aufl., München

Heller, J. (2015). Resilienz. Mehr innere Stärke für Führungskräfte, Zürich

Heller, J. / Elbe, M. / Linsenmann, M. (2012). Unternehmensresilienz. Faktoren betrieblicher Widerstandsfähigkeit, in: Management von Ungewissheit. Neue Ansätze jenseits von Kontrolle und Ohnmacht, Bielefeld, 213–232

Resilienz-ABC www.juttaheller.de/resilienz/resilienz-abc

Blog www.juttaheller.de/blog

Im Original am 03.07.2017 auf dem ehemaligen CLP-Blog JurCoach erschienen.

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