Interview: Lina Krawietz, Deutschland
Die CLP - Interviewreihe geht in die dritte Runde: Nach der Expertenrunde sowie den Legal-Coaches geht es nun in erster Linie um besonderes Engagement in und neben dem Anwaltsberuf. Einige von ihnen sind für dieses Engagement bereits mit Preisen geehrt worden; in jedem Falle aber sind alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Kreis sehr erfolgreich in dem, was sie tun. Das mag an der mitreißenden Leidenschaft liegen, mit der sie sich für ihre Sache engagieren. Oder an ihrem persönlichen Erfolgsrezept, was sie uns jeweils am Ende verraten.
Wer ist Lina Krawitz?
Lina Krawietz ist Juristin, Design-Thinking-Expertin, Mit-Gründerin und Geschäftsführerin der This is Legal Design GbR, Co-Chefredakteurin der juristischen Fachzeitschrift REthinking Law und Advisor des Lawyers Magazine. Im rechtspolitischen Beirat der ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG vertritt sie das Thema Digitalisierung.
Nach ihrem Jurastudium studierte sie Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut und arbeitete bei SAP im Bereich Software Innovation sowie als selbstständige Innovationsberaterin, u.a. für die Weltbank, Bechtle AG und das Hasso-Plattner-Institut. Als Rechtsreferendarin war sie für den Ausschuss Digitale Agenda im Bundestag und ein Legal-Tech-Startup für Knowledge-Management- und Dokumenten-Automation tätig.
Lina Krawietz lebt, liebt und atmet Start-up-Luft in Berlin. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten im Grünen – wie sie hofft, bald auch mit einem Hund als Familienzuwachs.
1.Was heißt für Sie Legal Design?
Legal Design ist ein Innovationsansatz, der Frameworks und Methoden, insbesondere aus dem Bereich des Designs nutzt, um Herausforderungen mit juristischem Bezug ganzheitlich und nutzerzentriert zu lösen. Mit Legal Design lassen sich Innovationsprozesse im Rechtsbereich strukturiert und zielführend gestalten. Dabei entstehen innovative digitale sowie analoge Produkte, Services, Prozesse, Systeme und Umwelten, die wirklich gebraucht und gerne genutzt werden.
Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass man schnell vom Planen ins Machen und Ausprobieren kommt. Viele beschränken sich an dieser Stelle auf den Design-Thinking-Prozess.
Für mich bedeutet Legal Design jedoch, sich der ganzen Palette geeigneter Gestaltungsansätze zu bedienen, wie etwa dem Human-Centered-Design, Behavioural Design, Business Process Modeling usw. Dabei gilt es herauszufinden, wo und wie sich diese im Rechtsbereich am besten anwenden lassen.
2.Wann haben Sie sich zum ersten Mal damit beschäftigt und warum?
Mein Einstieg in das Design-Thinking-Studium am Hasso-Plattner-Institut war im Prinzip auch direkt ein sehr praktischer Einstieg in das Thema Legal Design. Das Studium ist so gestaltet, dass man von Anfang an entlang der Arbeit an echten Projekten lernt. Mein Team hatte damals zufällig eine Legal Design Challenge – auch wenn es den Begriff „Legal Design“ damals noch nicht gab: Es ging darum, die europaweite Zusammenarbeit von Rechtsanwält*innen und NGOs im Bereich des Asylrechts zu verbessern.
So richtig bewusst geworden, was für eine entscheidende Rolle Design für den Rechtsbereich spielen kann, ist es mir aber erst als ich schon eine Weile in meiner Rolle als Design Thinker bei SAP war. Eigentlich hatte ich gedacht, dass meine Entscheidung für Legal Design eine Entscheidung gegen die Rechtsbranche sein würde.
Als dann das Thema Legal Tech mit einem Mal immer mehr Bedeutung bekam, wusste ich, dass nutzerzentriertes Software-Design auch dort eine große Rolle spielen würde. Dass mir das die Gelegenheit bieten würde, meine Fähigkeiten in Recht, Design und Tech doch noch gezielt miteinander zu verbinden.
Parallel dazu wurde das Legal Design Lab in Stanford gegründet und der erste Legal Design Summit in Helsinki einberufen. Ich war nicht die einzige, die in diesen Weg eingeschlagen hatte. Damit hatte die Sache auch endlich einen Namen: Legal Design.
3. Wie arbeiten Sie heute mit Legal Design?
Ich nutze Legal Design heute vor allem, um entweder für Kunden oder auch gemeinsam mit Kunden und Nutzer*innen neue Produkte und Services zu entwickeln.
Ein klassisches Beispiel ist das Re-Design eines juristischen Dokuments, wie z. B. eines NDA oder einer Richtlinie. Dokumente werden dabei bzgl. Form, Inhalt und Darstellung so neu gedacht, gestaltet, getestet und weiterentwickelt, dass sie im Ergebnis leichter zugänglich sind, besser verstanden werden und mehr Wirkung entfalten. Auch sehr gängig ist die Anwendung von Legal Design zur Konzeption einer Software, App oder Website. Ich lege großen Wert darauf, den Innovationsprozess für jeden Kunden individuell zu gestalten, anstatt immer das gleiche Programm abzuspulen.
Dabei versuche ich meine Kunden dazu zu bewegen so nutzerzentriert wie möglich zu arbeiten, auch wenn die Hemmschwelle bei Jurist*innen besonders groß zu sein scheint. Wichtig ist auch, Kunden nicht – etwa mit einem tollen Konzept für ein neues Produkt – alleine zu lassen, sondern immer die Umsetzung mitzudenken.
Wie sagt man so schön: „It’s not just about ideas. It’s about making ideas happen.”
4. Wer sind Eure Kunden?
Unsere Kunden sind insbesondere Kanzleien und Legal Tech Startups, hin und wieder auch Rechtsabteilungen. Was uns überrascht hat, ist dass wir mittlerweile auch von Unternehmen außerhalb der Rechtsbranche Anfragen erhalten, die mit ihren Kanzleien nicht weiterkommen.
Wir sollen dann dabei helfen, die juristischen Elemente, mit denen ihre Kunden in Kontakt kommen, wie z. B. der Prozess eines Vertragsabschlusses, so neu zu gestalten, dass diese genauso nutzerfreundlich sind wie der Rest des Nutzererlebnisses.
5. Spielt es eine Rolle, dass Sie Juristin sind und warum?
Dass ich Juristin bin, ist insofern wichtig, als dass ich die besonderen Herausforderungen der Rechtsbranche im Allgemeinen und unserer Kunden im Speziellen inhaltlich ganz anders nachvollziehen kann als eine Innovationsberaterin oder ein Innovationsberater ohne Rechtskenntnisse.
Mein juristischer Hintergrund hilft mir zudem dabei, mit Kunden mehr auf Augenhöhe zu kommunizieren. Im Bereich der Automatisierung spielt mein Juristin-Sein vor allem dann eine Rolle, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die juristische Logik, die technisch abgebildet werden soll, korrekt hinterlegt wird.
6. Wer unterstützt Sie dabei bzw. mit wem arbeiten Sie dabei am Liebsten zusammen?
Ich habe mit meiner Mit-Gründerin Alisha Andert und meinem Mit-Gründer Joaquín Santuber zwei sehr kompetente und interessante Personen an meiner Seite, die ein ähnlich komplexes Skill-Set aus Rechts-, Design- und Tech-Expertise mitbringen.
Das ist derzeit noch recht selten zu finden und es macht mir großen Spaß, mit den beiden zusammen zu arbeiten. Darüber hinaus verfügen wir über ein top Netzwerk aus Fachjurist*innen, Designer*innen und Entwickler*innen, die wir zur Realisierung von Projekten je nach Bedarf hinzuziehen.
In interdisziplinären Teams zu arbeiten ist für uns selbstverständlich. Darüber hinaus gibt es eine recht gut vernetzte, weltweite Community von Legal Designern, mit denen wir regelmäßig im Austausch stehen.
7. Ihr ganz persönlicher Erfolgstipp:
Mein ganz persönlicher Erfolgstipp: Sobald Du eine Idee hast, mach sie für Dich und andere greifbar. Indem Du sie aufschreibst, zeichnest, planst oder sonst irgendwie einen kleinen ersten Schritt in Richtung praktische Umsetzung machst.
Dabei wirst Du schnell erfahren, wo in Deiner Idee besondere, vielleicht sogar unerwartete Stärken liegen, erste Denkfehler feststellen können, konstruktives Feedback erhalten und Dinge lernen, die für den nächsten Schritt wichtig sind.
Indem Du kleine Schritte tatsächlich gehst und schaust, wo sie Dich hinführen, anstatt lange Strecken ewig und bis ins letzte Detail zu planen, nur um festzustellen, dass Du doch eine andere Richtung hättest anpeilen müssen, gibst Du Dir den Raum zu experimentieren, zu lernen und Dich und Deine Visionen
Vielen herzlichen Dank.
Freuen Sie sich auf weitere außergewöhnlichen Persönlichkeiten und lassen Sie sich inspirieren!