19.11.2020

Interview: Anna Maria Göbel, Deutschland

CLP begleitet seit Jahren Kolleginnen und Kollegen aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Rechtsbranche auf ihrem beruflichen Weg zum Erfolg. In dieser dritten Interviewreihe wird es darum gehen, wie vielfältig sich Anwaltspersönlichkeiten aus ganz Europa in und neben ihrem Beruf engagieren. Und natürlich haben wir Sie auch wieder nach ihrem ganz persönlichen Erfolgsgeheimnis gefragt!

Die CLP - Interviewreihe geht in die dritte Runde: Nach der Expertenrunde sowie den Legal-Coaches geht es nun in erster Linie um besonderes Engagement in und neben dem Anwaltsberuf. Einige von ihnen sind für dieses Engagement bereits mit Preisen geehrt worden; in jedem Falle aber sind alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Kreis sehr erfolgreich in dem, was sie tun. Das mag an der mitreißenden Leidenschaft liegen, mit der sie sich für ihre Sache engagieren. Oder an ihrem persönlichen Erfolgsrezept, was sie uns jeweils am Ende verraten.

Unsere heutige Interviewpartnerin ist vielen von Instagam als "Frau.Rechtsanwalt" bekannt, da Sie dort mit knapp 45.000 Followern sehr erfolgreich über Ihre anwaltliche Arbeit berichtet.

Frau Göbel, darf ich Sie bitten, sich kurz selbst vorzustellen?

Ich bin Anna Maria Göbel. Nach einem Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität und einem längeren Auslandsaufenthalt in einer Kanzlei in Istanbul bin ich seit rund 25 Jahren ausschließlich im Familien- und Erbrecht tätig, da die Leidenschaft für dieses Rechtsgebiet bereits Auslöser für das juristische Studium war und die Beschäftigung mit Menschen und Sprache auch meine größten Hobbys sind.

Ich lebe mit Ehemann und einem Sohn in Hagen und bin seit Jahren in dem internationalen Netzwerk ZONTA tätig, ein Zusammenschluss von berufstätigen Frauen in Führungspositionen, welches sich für die Verbesserung der Lebenssituation in rechtlicher, politischer, beruflicher und gesundheitlicher Hinsicht von Frauen weltweit einsetzt und ca. 30.000 Mitglieder hat.

Lokal habe ich viele Jahre das Frauenhaus und die Beratungsstelle in Hagen rechtlich begleitet. Jetzt möchte ich Menschen zudem noch durch den Blog niederschwellig aufklären, da ich dort noch große Defizite sehe.

1. Was bedeutet es für Sie, Influencerin zu sein?

Influencer ist ein so großer Begriff. Ich denke dabei sofort an junge, attraktive Frauen, die in langen Videos die Vorzüge des neuen Detox-Tees einer hippen Marke erklären oder komplizierte Schminktechniken und Frisuren demonstrieren. Darum geht es nicht.

Es geht darum Menschen zu unterhalten, Wissen zu transportieren und auf angenehme Weise Menschen für rechtliche Sachverhalte zu sensibilisieren. Recht ist immer und überall. Daher ist es für uns alle wichtig und sexy. Auch gibt es noch unglaublich viele Vorurteile und Hemmschwellen im Hinblick auf Kontakt mit Menschen aus dem Anwaltsberuf.

Das Bild des würdevoll ergrauten, distinguierten Anwalts mit der randlosen Brille im Dreiteiler geistert noch durch viele Köpfe und hält viele dann ab, sich rechtzeitig Rat und Hilfe zu holen. Das bedaure ich oft und möchte diese Hürde abschaffen.

2. Wann haben Sie sich zum ersten Mal damit beschäftigt und warum?

Ich habe vor 3 Jahren angefangen mich mit Social Media (speziell Instagram) zu beschäftigen, als mein Sohn 15 Jahre alt war. Zum einen wollte ich meinem Erziehungsauftrag nachkommen und gucken, was es dort auf dieser Plattform zu sehen und zu tun gibt, zum anderen wollte ich bei ihm natürlich konkurrenzfähig bleiben.

Nach kurzer Zeit habe ich festgestellt , dass ich dort unglaublich viele interessante Menschen kennenlerne mit denen auch ein persönlicher, freundschaftlicher Austausch möglich ist.

Mittlerweile haben wir eine speziell Anwaltsgruppe (Mastermind-Law) gegründet, in der auch außerhalb von Social Media regelmäßige persönliche Treffen stattfinden, jeder aus seinem Fachgebiet abwechselnd einen Vortrag für die Kollegen hält und spontaner Austausch aus anderen Rechtsgebieten immer möglich ist, falls man mit einer bestimmten Problemstellung in einer Akte nicht weiterkommt. Das ist großartig!

3. Wie teilen Sie heute Ihre Arbeit zwischen der Kanzlei und den „social media“ auf?

Sozial Media ist keine Arbeit für mich, sondern Vergnügen und Therapie zugleich. Ich sitze morgens um 6 Uhr mit dem ersten Kaffee in der Küche und schreibe über die Fälle, die mich gerade am meisten beschäftigen, bewegen und wo ich eine Ungerechtigkeit empfinde, die man mit minimalem Wissen hätte besser lösen oder verhindern können.

Manchmal rege ich mich allerdings auch über etwas Erlebtes so auf, dass ich sofort das Bedürfnis verspüre es mit einer möglichst großen Menge von Menschen zu teilen, damit sie diesen Fehler nicht machen. Das kann dann auch nicht warten und muss sofort runtergeschrieben werden, was meine Familie oft amüsiert. Danach beginnt für mich das ganz normale Anwaltsleben: Familie, Kanzlei, Gericht, Mandanten.

Allerdings nehme ich mir abends regelmäßig die Zeit auf Fragen der Follower einzugehen und diese zu beantworten oder mit Instagram-Freundinnen bestimmte Themen zu besprechen oder uns gegenseitig private Dinge & Veranstaltungstips zu erzählen oder uns gegenseitig zu motivieren.

4. Wer sind Ihre Follower?

Meine Follower sind - ähnlich wie meine Mandanten - nahezu zu gleichen Anteilen männlich und weiblich, wobei Frauen deutlich kommunikativer und mutiger sind in Kontakt zu treten. Die Bandbreite geht von 13 - 70 Jahren, was mich besonders freut, da offensichtlich auch rechtliche Themen für alle Altersklassen interessant sind und präventives Wissen besonders bei jungen Frauen wichtig ist. Neulich schrieb mir eine junge Mutter, dass sie eigentlich nach einer Mütter-Gruppe auf Instagram gesucht hätte, da sie gerade ein Baby bekommen habe, aber jetzt gemerkt hätte, dass ihr meine Seite viel mehr Spaß macht und sie dort viel wichtigere Dinge gelernt hätte. Das macht mich glücklich und stärkt mich in dem Wissen, das dieser Teil meiner Arbeit wichtig ist.

Es sind viele kluge und interessante Menschen aus fast allen Berufssparten, auch viele Kollegen, Jura-Studentinnen, Fashion-Lover, aber auch zB ein Berufsmusiker aus New York ist dabei. Besonders stolz bin ich auf eine ganze Gruppe von untereinander befreundeten weiblichen Pastorinnen, die mein Leben auch durch eine ganz andere Art zu denken und zu leben bereichern und für völlig neue Einblicke sorgen.

Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, dass manche Männer die sozialen Netzwerke auch als Kontaktbörse mißbrauchen möchten. Zum Glück erkennt man schon an der Anrede, was darauf folgt, so dass man diese Nachrichten gar nicht erst öffnet.

Ich finde meine Follower durchweg großartig. Aus manchen werden Gesprächspartner oder gute Bekannte, aus manchen werden Mandanten.

5. Welche Rolle spielt es für Sie, sich als Juristin zu engagieren?

Wer sich als Jurist nicht engagiert hat definitiv den falschen Beruf ergriffen.

Wie kann ich die Interessen von Menschen gut (auch vor Gericht) vertreten, wenn ich mich nicht engagiere und nicht dafür brenne? Das ist völlig undenkbar.

Wir sind in gewissem Umfang dem Staat, dem Recht und natürlich auch dem Menschen verpflichtet. Diese Obliegenheit hört nicht auf, wenn der Aktendeckel geschlossen ist oder die Kanzleitür schließt. Dies gilt immer, auch im privaten Bereich.

Zudem sind wir allein durch unsere Ausbildung privilegiert mit einem Bonus an Wissen auf einem Gebiet, was für Laien nicht immer ganz leicht zugänglich und verständlich ist. Das ist essentiell und verpflichtet. Und macht zudem auch Freude.

Ferner ist es auch für Juristen mittlerweile wichtig sich in Social Media-Kanälen in die Sichtbarkeit zu gehen. Nicht umsonst fangen auch renommierte Großkanzleien an Kanäle oder Blogs zu führen. Sowohl sozialen Engagement, aber auch Engagement in eigener Sache sind heute ein Muss.

6. Wer unterstützt Sie dabei bzw. mit arbeiten Sie dabei am Liebsten zusammen?

Entgegen vielerlei Annahmen ist mein Blog eine ganz selbstgemachte Sache und wird nicht von einem Fachmann oder einer Agentur begleitet. Nur mein Handy, mein Morgenkaffee und ich. Das erklärt auch die gelegentlichen Tippfehler, weil ich morgens noch keine Brille aufhabe.

Die besten Fotos macht mein Sohn und unterstützt mich insoweit. Da das aber nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste eines 18jährigen steht muss ich dafür auch freundlich sein und bin ihm insoweit etwas ausgeliefert.

Generell als sehr angenehm erlebe ich aber die Unterstützung von Instagram-Kollegen, mit denen man Siege, neue Gedanken und Projekte besprechen kann oder auch gelegentliche Niederlagen austauscht.

7. Ihr ganz persönlicher Erfolgstipp:

Aktivität & Leidenschaft sind der Schlüssel zum Glück.

Wer etwas unternimmt hat mehr Kontrolle auch über die Unwägbarkeiten des eigenen Leben. Wer aktiv ist hat auch keine Zeit depressiv zu werden, ständig zu lamentieren oder sich als Opfer zu fühlen, was gerade aktuell sehr verbreitet ist.

Damit kontrolliert man auch die eigenen Gedanken. Aktivität verschafft Sicherheit und bereichert.

Just do it!

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere außergewöhnlichen Persönlichkeiten und lassen Sie sich inspirieren!

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