15.08.2019

Diversity in deutschen Kanzleien (Gastbeitrag von Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt von Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg zu ALICE)

„Es geht nicht mehr darum, „kein Problem“ mit LGBT+ zu haben, sondern man will beweisen, dass man sich positiv für Diversity einsetzt.“

Dr. Klaus Stefan Hohenstatt

„Es geht nicht mehr darum, „kein Problem“ mit LGBT+ zu haben, sondern man will beweisen, dass man sich positiv für Diversity einsetzt.“

Diversity in Kanzleien? Im Rechtswesen auch heute noch eine Seltenheit.  ALICE unterstützt die sog. „LGBT“ auf ihrem Weg nach oben.

Erfolg im Anwaltsberuf ist kein Zufall. Doch ist es immer nur das Ergebnis harter Arbeit? Oder kommt es auch darauf an, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun? Was ist das Geheimnis erfolgreicher Juristen? Worauf sollte man von Anfang an achten? Ergreift man wirklich jede Chance?

In unserer Reihe “Erfolg im Anwaltsberuf ist kein Zufall” stellen wir Ihnen Top-Juristen, deren Kanzleien und ihr ganz persönliches Erfolgsrezept vor. Nachdem wir  Ihnen in der letzten Ausgabe eine Frau vorgestellt haben, die Juristinnen mit PANDA auf ihrem Weg nach oben unterstützt, präsentieren wir Ihnen heute einen Juristen, der Kollegen und Kolleginnen auf ihrem Weg unterstützt.

Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt ist Partner in der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg und Spezialist im Arbeitsrecht. Er ist Autor diverser Fachbücher zum Thema Umstrukturierung, lehrt Betriebsverfassungsrecht und das Recht der Unternehmensmitbestimmung an der Bucerius Law School und ist der deutsche Vertreter im Board der European Employment Lawyers Association.

Herr Dr. Hohenstatt stellt „ALICE“ vor:

(der Beitrag erschien am 16.11.2016 bei UniGlobale und darf mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Hohenstatt hier noch einmal abgedruckt werden):

„Morgen, am 19. November findet in Köln der ALICE Juristensummit 2016 statt, ein in Deutschland einmaliger Event rund um die Themen LGBTI, Diversity, Recht und Karriere. Mit dabei ist auch die Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Partner im Bereich Arbeitsrecht, erzählt im Interview über den Wandel in seiner Branche und warum Unternehmen, die Mitarbeitervielfalt – von Herkunft bis sexueller Orientierung – wertschätzen, langfristig erfolgreicher sind.

UNIGLOBALE: Herr Dr. Hohenstatt, beginnen wir mit einem Klischee: Kanzleien sind konservativ und haben mit Diversity nichts am Hut. Würden Sie dem aus eigener Erfahrung zustimmen oder werden die Roben „bunter“?

Klaus-Stefan Hohenstatt: Es stimmt schon: In einer Anwaltskanzlei geht es anders zu als in einem Theaterensemble oder einer Werbeagentur. Aber Rechtsanwälte sind in der Regel freiheitsliebende und liberale Menschen. Inzwischen kann man zumindest bei den international tätigen Sozietäten von einem LGBT-freundlichen und aufgeschlossenen Klima ausgehen. Die Fortschritte sind nicht zu übersehen!

Spielt dabei auch eine Rolle, dass Mandanten zunehmend nach Diversity-Programmen fragen, als Voraussetzung für ein Mandat?

Einige unserer Mandanten haben sehr große und aktive LGBT+ Netzwerke, allen voran die Banken und Versicherungen, zunehmend aber auch Industrieunternehmen. In Deutschland kommt es noch nicht so oft vor, dass Dienstleister über ihre Einstellung zu Diversity Rechenschaft ablegen müssen, wie dies in UK und den USA häufig der Fall ist. Bei Freshfields merken wir aber schon, dass unser großes Engagement für LGBT+ von Mandanten ganz überwiegend sehr positiv gesehen wird.

Welche Bedeutung haben dabei Instrumente wie der „Stonewall Top 100“-Index, ein Ranking, das Unternehmen im Hinblick auf LGBT-Gleichstellung bewertet?

Der Index ist in UK sehr populär. Eine großartige Idee! Nahezu alle Unternehmen wollen dort in den Top 100 vertreten sein und geben sich allergrößte Mühe, die vielen Kriterien zu erfüllen, die Stonewall dafür aufstellt. Das schafft das richtige Bewusstsein. Es geht nicht mehr darum, „kein Problem“ mit LGBT+ zu haben, sondern man will beweisen, dass man sich positiv für Diversity einsetzt.

Warum tun Kanzleien gut daran, offen zu sein und auf eine vielfältige Belegschaft zu setzen? Sind sie dadurch vielleicht wirtschaftlich erfolgreicher?

Vielfalt und Diversity liegen tatsächlich im Eigeninteresse der Unternehmen. Gemischte Teams bezogen auf Geschlechterverteilung, Herkunft, sexuelle Orientierung und auch Behinderung schaffen eine mehr auf Kollegialität ausgerichtete Atmosphäre. Wer offen er/sie selbst sein kann, ist leistungsfähiger. Im Übrigen: Gute Mitarbeiter und Führungskräfte werden immer knapper – warum sollten erfolgreiche Unternehmen sich von einer so großen und kreativen Gruppe wie den LGBT+ abschotten?

Sie selbst sind in dem LGBT-Netzwerk „Halo“ bei Freshfields aktiv. Welche Rolle spielen solche Netzwerke? Was tun Sie?

„Halo“ heißt „Heiligenschein“ und spielt auf unser Firmenlogo an – den Erzengel Gabriel aus dem Familienwappen der Freshfields. „Halo“ ist das LGBT-Netzwerk bei Freshfields mit rund 100 Mitgliedern. Wir treffen uns regelmäßig, um gemeinsame Aktivitäten zu planen, die Firma bei ihren Diversity-Unternehmungen zu unterstützen, das Recruitment für Freshfields zu unterstützen – und einfach auch als soziale Plattform, auf der wir uns wohlfühlen. Zusätzlich haben wir ein sogar noch größeres Netzwerk von Unterstützern – Friends of LGBT+ –, die wir bei Freshfields „Halo Champions“ nennen. Dies sind weltweit über 130 Anwält/innen und Business Services, die uns bei unseren Aktivitäten unterstützen und dafür sorgen, dass die Offenheit und Vielfalt von der gesamten Firma gelebt wird.

Ist das Thema Diversity nur in Großkanzleien (mit US-amerikanischem Hintergrund) ein Thema? Wie sieht es damit in kleinen und mittleren Kanzleien aus?

Ein richtiges Diversity-Programm erfordert schon eine gewisse Größe. Auch in kleinen Firmen gibt es natürlich gelebte Diversity – aber die systematische Förderung dieses Themas findet derzeit fast nur in den internationalen und größeren Firmen statt, die auch davon profitieren, dass sie aus den USA und aus UK beeinflusst sind, wo LGBT+ Netzwerke schon länger eine Selbstverständlichkeit sind.

Haben Sie selbst je – sowohl als Jurastudent als auch heute als Partner – Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht?

In meinem eigenen Umfeld habe ich nahezu ausschließlich sehr positive Erfahrungen gemacht. Diskriminierungen im Sinne einer bewussten Benachteiligung gab es nie. Je offener und selbstbewusster man lebt, desto leichter fällt es auch der Umgebung, positiv damit umzugehen.

Was wäre ein Tipp von Ihnen an einen jungen schwulen Jura-Absolventen, der bald seinen ersten Job antritt: Outen – ja oder nein? Wenn ja: Wie und wann am besten?

Ich wäre da so entspannt wie möglich. Es gibt keinen Grund, darüber schon bei der Einstellung oder am ersten Tag zu sprechen, wenn sich das nicht zufällig aufdrängt. Aber mein Rat wäre schon, früh eine gute Gelegenheit zu suchen, das Thema zu streifen und dem direkten Umfeld einen kleinen Einblick in das eigene Privatleben zu geben. Einfach mal erwähnen, was man mit seinem Partner am Wochenende erlebt hat oder dass man zusammen wohnt. Dann sind die Dinge klar – damit ist allen gedient.

Wünschen Sie sich vielleicht auch manchmal, dass man sich über solche Dinge überhaupt keine Gedanken mehr machen und darüber auch kein Interview mehr führen muss? Denn was hat denn schon die sexuelle Orientierung mit der Fähigkeit zu tun, ein guter Anwalt zu sein?

I couldn’t agree more!“

Vielen Dank, Herr Dr. Hohenstatt.

In den USA hat man lange erkannt, wie wichtig Vernetzung unter LGBTI JuristInnen für den beruflichen Erfolg und die Durchsetzung von LGBTI Rechten ist: im August fand in den USA die Lavender Law Conference & Career Fair statt – die größte Veranstaltung für LGBTI JuristInnen, mit über 400 BesucherInnen und 167 Kanzleien und anderen juristischen Organisationen. Hier wird voneinander gelernt, sich ausgetauscht und „genetzwerkt“.

Seit letztem Jahr gibt es eine solche Plattform auch in Deutschland: Mit 10 Unternehmen und 50 BesucherInnen hatte ALICE 2015 ihren Auftakt als kleine Karrieremesse. Nun wurde intensiv am Konzept gefeilt, um die Veranstaltung attraktiver und interaktiver zu gestalten. Das Programm: Unter dem Motto „Finding Unicorns – Connecting LGBTI Lawyers“ wartet der ALICE Juristensummit 2016 mit einem vielfältigen Programm auf und bietet noch mehr Raum für Networking, Weiterbildung, politische Diskussionen und gemeinsame Aktivitäten.

ALICE – Finding Unicorns. Morgen in Köln.

 

In diesem Sinne –

Herzlichst,

Ihre Dr. Geertje Tutschka, ACC

PS: Wenn auch Sie auf Diversity setzen möchten – sprechen Sie uns an. Wir unterstützen maßgeschneidert die Team- und Personalentwicklung in Ihrer Kanzlei!

Im Original am 18.11.2016 auf dem ehemaligen CLP-Blog JurCoach erschienen.

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