15.08.2019

Anwaltskarriere: Erfolg im Anwaltsberuf ist kein Zufall (Interview mit Nadja Harraschain, breaking.through, Frankfurt/M.)

Erfolg im Anwaltsberuf ist kein Zufall.

Ist es immer nur das Ergebnis harter Arbeit? Oder kommt es auch darauf an, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun? Was ist das Geheimnis erfolgreicher Juristen? Worauf sollte man von Anfang an achten? Ergreift man wirklich jede Chancen? Und ist die Entscheidung für die Karriere tatsächlich eine Entscheidung gegen ein erfülltes Privatleben?

In unsere Reihe “Erfolg im Anwaltsberuf ist kein Zufall” stellen wir Ihnen Top-Juristen und ihr ganz persönliches Erfolgsrezept vor:

Nadja Harraschain

1. Berufliches Profil

Nadja Harraschain ist Doktorandin an der Universität Basel, Business Director der Moot Academy sowie Gründerin und CEO von breaking.through, einer im Frühjahr dieses Jahres neu gegründeten Plattform für Juristinnen mit Interesse an karriere- und frauenrelevanten Themen.

2. Bitte nennen Sie mindestens einen Ihrer ganz persönlichen Erfolgstipps:

Ich denke, wichtig ist in jedem Fall, Chancen zu nutzen und Chancen zu schaffen. Damit meine ich einerseits, dass man Angebote, die sich einem bieten, tendenziell annehmen sollte; eine sorgfältige Prüfung natürlich vorausgesetzt. Andererseits sollte man aber auch immer wieder proaktiv nach neuen Angeboten Ausschau halten – etwa indem man an einem Wettbewerb teilnimmt, sich für ein Mentoring-Programm bewirbt oder sich für einen von Kanzleien oder Unternehmen angebotenen Workshop anmeldet.

Daneben glaube ich, dass man sehr davon profitieren kann, offen und neugierig auf fremde Menschen zuzugehen – und das völlig unabhängig davon, wer einem gerade gegenübersteht. Weder sollte man davor zurückschrecken, mit Menschen in bedeutenden Positionen in Kontakt zu treten, noch sollte man Hemmungen haben, sich in einen Kreis Fremder zu begeben, bei denen man vorab nicht einschätzen kann, wie hoch die Schnittmenge der Interessen ist, die man teilt. Wenn einem das schwerfällt, können Übung und das Suchen einer für sich passenden Einstellung dabei helfen, zu lernen, sich damit wohlzufühlen.

3. Was wollen Sie mit breaking.through erreichen?

Wir wollen Juristinnen darin bestärken, eine mögliche Karriere nicht vorschnell aufzugeben. Natürlich ist es eine höchst individuelle Entscheidung, wie man seinen beruflichen Werdegang gestalten möchte. Aber wir erleben immer wieder, dass Frauen aufgrund mangelnder Vorbilder den Eindruck haben „es nicht schaffen zu können“ und deshalb früher als nötig eine Karriere aufgeben. Daneben rauben Zweifel schlicht wertvolle Kraft, die man sinnvoll in andere Sachen investieren könnte. Durch das Aufzeigen von Vorbildern in persönlichen Interviews zu karriere- und frauenrelevanten Fragen, durch unsere Ratvermittlung und unsere Veranstaltungen wollen wir dagegen Inspirationen schaffen und so neue Energien freisetzen, die die Frauen in ihrem Werdegang bestärken können.

4. An wen richtet sich breaking.through?

Wir richten uns allgemein an karriereinteressierten Juristinnen, unabhängig davon, in welchem Lebensabschnitt diese sich befinden. Unsere Veranstaltungen werden von Juristinnen in der Ausbildung, Praktikerinnen aus verschiedenen Berufszweigen mit mehreren Jahren Berufserfahrung, aber auch von Professorinnen und Präsidentinnen von Hochschulen besucht. Auch sind immer wieder Juristinnen dabei, die das Berufsleben schon ganz oder beinahe hinter sich haben und sich dafür interessieren, ob sich die jüngeren Generationen noch mit denselben Fragen beschäftigt. Diese Vielfalt zeigt uns, dass wir Themen ansprechen, die zahlreichen Juristinnen unter den Nägeln brennen. Aber auch Männer, die sich für dieselben Themen interessieren, sind bei uns immer gerne willkommen.

5. Was hat Sie bei Ihrer Arbeit für breaking.through bisher am meisten überrascht?

Auf der einen Seite, wie viel Vertrauen der Idee von breaking.through von zahlreichen Juristinnen entgegengebracht wurde, noch bevor es einen offiziellen Außenauftritt gab. In den Anfängen von breaking.through habe ich mit zahlreichen Juristinnen und potentiellen Kooperationspartnern Kontakt aufgenommen, ihnen meine Idee präsentiert und angefragt, ob sie sich porträtieren lassen würden oder ob wir gemeinsam eine oder gleich mehrere Veranstaltungen organisieren wollen. Erst relativ kurz vor dem offiziellen Kick-off habe ich angefangen mein Team aufzubauen und eine Teaser-Homepage für den Außenauftritt erstellt. Nahezu alle Kontaktierten, darunter zum Beispiel Bundesjustizministerin Dr. Barley, haben sich für die Idee begeistern lassen und zugesagt, obwohl sie mir dafür anfangs nahezu blind vertrauen mussten.

Auf der anderen Seite habe ich nicht damit gerechnet, wie sehr es auch den porträtierten Juristinnen bzw. Referentinnen meistens selbst ein Anliegen ist, den jüngeren Generationen etwas mitzugeben. In den meisten Fällen sehen die Juristinnen darin keinen Gefallen, den sie uns oder unserem Adressatenkreis tun. Eher ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen, von dem beide Seiten profitieren. Viele der Juristinnen hätten sich beispielsweise selbst mehr Vorbilder zu ihrer Zeit gewünscht. Dadurch entsteht ein starkes verbindendes Element. Erst vergangene Woche haben wir die 100. Zusage für ein persönliches Porträt erhalten. Absagen gab es demgegenüber bisher kaum. Selbst vielbeschäftigte BGH-Richterinnen nehmen sich bisweilen schon mal zwei Stunden für ein Vorgespräch Zeit, obwohl dies keinesfalls Voraussetzung für ein Porträt ist. All das spricht für die starke intrinsische Motivation unseres Netzwerks.

6. Gibt es Aussagen und Ratschläge, die in den Interviews mit den porträtierten Juristinnen immer wieder auftauchen?

Die gibt es sicher. Wir hören etwa immer wieder, dass Frauen zu häufig davon ausgehen würden, dass gute Arbeit allein für ein berufliches Fortkommen ausreichend sei. Dabei dürfe man nicht darauf warten, Karriereperspektiven von der oder dem Vorgesetzen aufgezeigt oder angeboten zu bekommen, sondern müsse sich selbst Chancen schaffen und immer wieder nach außen ausdrücklich kommunizieren, wo man hinmöchte.

Ein anderer viel genannter Aspekt ist, dass viele Frauen noch selbstbewusster auftreten und mehr Selbstmarketing betreiben könnten. Für die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt es regelmäßig: „Augen auf bei der Partnerwahl.“ Ferner kommt immer wieder der Ratschlag, mutig zu sein und sich ruhig Sachen zuzutrauen.

Demgegenüber gehen die Erfahrungen darüber auseinander, ob man als Frau im beruflichen Kontext anders wahrgenommen oder behandelt wird, als etwa männliche Kollegen. Hier gibt es viele Juristinnen, die auch von heute noch stattfindenden, mehr oder weniger subtilen Diskriminierungen berichten. Eine Professorin berichtete etwa, dass ihr in Zeitungsartikeln oder als Gutachterin im Bundestag zum Ende des Artikels oder der Debatte hin die Titel aberkannt werden, während sie bei den männlichen Kollegen bis zum Ende hin genannt werden. Andere Juristinnen hingegen hatten in ihrer beruflichen Laufbahn noch nicht den Eindruck, anders als männliche Kollegen behandelt zu werden. Letzteres ist sicherlich eine erfreuliche Nachricht, die vor wenigen Jahrzehnten wohl noch kaum aufzufinden gewesen wäre.

7. Sie kooperieren regelmäßig mit anderen Business- und Frauennetzwerken. Für wie wichtig halten Sie solche Zusammenschlüsse?

Für sehr wichtig. Ganz allgemein lohnt es sich bei der Verfolgung von Interessen nach Gleichgesinnten Ausschau zu halten, um dem eigenen Anliegen mehr Durchsetzungskraft zu verleihen.

Daneben können solche Zusammenschlüsse das Netzwerken erleichtern, das gerade für Frauen auch heute noch immens wichtig ist, aber mit besonderen Herausforderungen verbunden ist. Zum Beispiel habe ich während meiner mehrjährigen Mitarbeit in einer Wirtschaftskanzlei erlebt, wie ein seit wenigen Wochen angestellter Referendar von seinen Erlebnissen beim abteilungs- und hierarchieübergreifenden regelmäßigen Fußballspiel in loser Runde berichtete, zu dem er von mehreren Anwälten eingeladen worden war. Auf die Idee, auch Frauen zu den regelmäßigen Treffen einzuladen, war natürlich niemand gekommen; viele wussten nicht einmal von der Existenz dieser regelmäßigen Treffen. Ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass eine böse Absicht hinter dieser selektiven Einladungspraxis steckte und ich denke, sie muss nicht mal bewusst passiert sein. Doch illustriert das Beispiel anschaulich, wie viel leichter es Männern fallen kann, Verbindungen zu Kollegen aus anderen Abteilungen und über Hierarchiestufen hinweg aufzubauen, die Frauen oftmals vorenthalten bleiben.

Umso wichtiger ist es daher für Frauen, sich Zugänge zu Netzwerken zu suchen und zu verschaffen. Das fängt an, indem man Veranstaltungen besucht, die einen interessieren, oder indem man sich einem Netzwerk anschließt. Viele unsere Kooperationspartner, etwa PANDA, der djb oder der in Hamburg und München präsente Businessclub Nushu, bieten optimale Gelegenheiten dazu und kombinieren die gezielte Förderung des Austauschs unter Frauen mit inhaltlich wertvollen Themen. Für mindestens ebenso wichtig halte ich es aber, dass sich Frauen auch in fachspezifischen, geschlechtlich gemischten Foren bewegen. Je eher man mit beidem anfängt – am besten schon in der Ausbildung – und je weniger man das vernachlässigt, wenn man eine Familie gründet, desto besser.

8. Wie balancieren Sie Ihre Doktorarbeit und Ihre Arbeit für breaking.through?

Grundsätzlich habe ich mir eine strikte zeitliche Trennung meiner Arbeitszeiten zwischen Doktorarbeit und breaking.through auferlegt, um zu vermeiden, dass die Arbeit für breaking.through überhandnimmt. Durch die unglaubliche positive Resonanz, die wir erhalten, sind wir in kurzer Zeit stark gewachsen und es entwickeln sich ständig neue Veranstaltungskonzepte und Formate, die natürlich auch mit Arbeit verbunden sind. Aber es gibt auch immer wieder Phasen, in denen das eine oder das andere gerade besonders viel Zeit beanspruchen. Momentan etwa konzentriere ich mich auch in meinen Abendstunden wieder sehr stark auf die Doktorarbeit. Dies ist nicht zuletzt dadurch möglich, dass das hinter mir stehende Team so engagiert und motiviert arbeitet und wir inzwischen zahlenmäßig mit elf Juristinnen stark genug gewachsen sind, um individuelle anderweitige arbeitsintensive Phasen auszugleichen.

9. Promovieren Sie auch zu einem Thema, das mit breaking.through eine Verbindung aufweist?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich seit dem Studium sehr viel mit den Bereichen Dispute Resolution und IP beschäftigt und eine besondere Vorliebe für das internationale Schiedsverfahrensrecht entwickelt. Über meine Doktorarbeit habe ich meinen ursprünglichen Schwerpunkt in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit um den Bereich der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit erweitert und beschäftige mich nun mit der Frage, wie man mit parallelen oder nacheinander gelagerten Fällen mit identischen oder stark verwandten Sachverhalten und Parteien umgeht, wenn herkömmliche Institute wie die Rechtskraft oder lis alibi pendensaufgrund verschiedener Besonderheiten der zwischen Staaten und Investoren üblichen Streitbeilegungsmechanismen nicht greifen.

Vielen Dank.

Frau Nadja Harraschain lebt mit ihrem Mann und ihrem Kind in Frankfurt am Main und unterstützt beispielsweise ebenso wie CLP auch PANDA Law, welches in dieser Woche in Frankfurt stattfindet.

Ihr persönliches Lebensmotto lautet:

„Ob etwas unmöglich ist, weiß man erst, wenn man es versucht hat.“

In diesem Sinne –

Herzlichst,

Ihre Dr. Geertje Tutschka, ACC

PS: Mehr zu breaking.through finden sie unter www.breakingthrough.de , wo Sie auch mein persönliches Portrait auf breaking.through finden.

CLP – Consulting for legal professionals unterstützt mit Training, Coaching und Mentoring AnwältInnen und JuristInnen bei der persönlichen, beruflichen und unternehmerischen Weiterentwicklung. Finden Sie den für Sie passenden Anwaltscoach oder Juristencoach unter www.consultingforlegals.com und vereinbaren Sie ein unverbindliches Erstgespräch.

Im Original am 05.10.2018 auf dem ehemaligen CLP-Blog JurCoach erschienen.

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